Wenn ein Mieter nach Mietende die Wohnung nicht zurückgibt, stellt sich die Frage: Steht dem Vermieter eine Nutzungsentschädigung zu? Diese zentrale Frage hat der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem neuen Urteil zur Nutzungsentschädigung nach Mietende umfassend beantwortet – mit weitreichenden Folgen für Mieter und Vermieter.
Was ist passiert?
Ein Mieter kündigte seinen Mietvertrag fristgerecht und verließ die Wohnung. Er ließ jedoch eine Einbauküche und einige Möbelstücke zurück. Der Vermieter war der Meinung, das Mietverhältnis bestehe weiterhin – und verlangte eine Nutzungsentschädigung nach Mietende.
Diese Forderung wurde zum Gegenstand eines Rechtsstreits, der schließlich vor dem BGH landete.
Hintergründe: Warum ging es um die Nutzungsentschädigung nach Mietende?
Der Kläger war seit 2016 Mieter einer Wohnung in Hanau. Die Parteien hatten einen Kündigungsausschluss von 60 Monaten vereinbart. Dennoch kündigte der Mieter das Mietverhältnis bereits 2017 – und zahlte in den Folgemonaten unter Vorbehalt weiter Miete.
Ab Februar 2018 wohnte er nicht mehr in der Wohnung, beließ dort aber Möbel und eine Einbauküche. Im Oktober 2018 gab er schließlich die Schlüssel zurück.
Der Mieter verlangte später Rückzahlung der geleisteten Beträge in Höhe von 9.270 € sowie der Kaution in Höhe von 2.500 €. Der Vermieter rechnete dem entgegen mit angeblichen Gegenansprüchen auf – unter anderem wegen der Nutzung nach Mietende.
Worüber wurde gestritten? Nutzungsentschädigung nach Mietende korrekt bemessen?
Kern des Streits war die Frage, ob und in welcher Höhe dem Vermieter eine Nutzungsentschädigung nach Mietende zusteht – insbesondere wenn die Wohnung nur noch teilweise, etwa als Lager, genutzt wird.
Weiter stritten die Parteien über die Rückzahlung der Kaution, mögliche Beschädigungen der Mietsache und Betriebskosten-Nachforderungen.
Zentral war jedoch: Genügt der bloße Besitz der Wohnung für eine Entschädigung nach § 546a BGB? Oder ist eine tatsächliche Nutzung erforderlich?
Urteil des Gerichts: BGH grenzt Nutzungsentschädigung nach Mietende ein
Der BGH wies die Revision des Vermieters zurück. Die Vorinstanzen hatten dem Mieter überwiegend Recht gegeben. Der BGH bestätigte nun:
Eine Nutzungsentschädigung nach Mietende gemäß § 546a Abs. 1 BGB setzt voraus, dass der Vermieter die Wohnung tatsächlich zurückverlangen will. Fehlt dieser Rückerlangungswille – etwa weil der Vermieter vom Fortbestehen des Mietverhältnisses ausgeht –, besteht kein Anspruch auf Nutzungsentschädigung.
Im vorliegenden Fall lag dieser Rückerlangungswille erst ab dem 30. September 2018 vor, also nach der Kündigung durch den Vermieter.
Für die Zeit davor konnte der Vermieter nur einen Anspruch auf Wertersatz für die tatsächlich gezogenen Nutzungen geltend machen – und das auch nur in geringem Umfang.
Begründung des Urteils: Wann liegt eine Nutzungsentschädigung nach Mietende vor?
Der BGH stellte klar:
Für eine Nutzungsentschädigung nach § 546a BGB müssen zwei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein:
- Der Mieter gibt die Mietsache nicht zurück.
- Der Vermieter will die Rückgabe tatsächlich – er hat also einen Rückerlangungswillen.
Im Streitfall war Letzteres nicht gegeben. Der Vermieter glaubte, das Mietverhältnis bestehe noch. Eine Vorenthaltung im Sinne des Gesetzes lag damit nicht vor.
Für die Monate Februar bis August 2018 bestand also kein Anspruch nach § 546a BGB.
Allerdings hatte der Mieter noch einige Möbel und die Einbauküche in der Wohnung gelassen. Diese Nutzung wertete der BGH als Lagerzweck. Dafür könne der Vermieter nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen Wertersatz verlangen.
Wichtig: Nicht der bloße Besitz, sondern die tatsächliche Nutzung bestimmt die Höhe des Ersatzanspruchs.
Im Ergebnis bezifferte das Gericht den Nutzungswert auf 120 € pro Monat – deutlich unter der ortsüblichen Miete von etwa 6 €/m² für Wohnraum.
Für den Zeitraum vom 1. bis 15. Oktober 2018 erkannte der BGH jedoch eine anteilige Nutzungsentschädigung an – weil ab dem 30. September 2018 ein klarer Rückerlangungswille des Vermieters bestand.
Bedeutung für die Zukunft: Nutzungsentschädigung nach Mietende bleibt Einzelfallprüfung
Das Urteil hat Signalwirkung: Vermieter können sich nicht automatisch auf § 546a BGB berufen, nur weil ein Mieter nach Mietende noch Möbel in der Wohnung lässt.
Entscheidend ist der Wille des Vermieters. Wer selbst davon ausgeht, dass das Mietverhältnis noch besteht, kann keine Entschädigung verlangen – unabhängig davon, wie lange der Mieter die Räume nicht räumt.
Zudem muss die Nutzung konkret nachgewiesen werden. Reiner Besitz reicht nicht aus.
Für die Praxis heißt das:
- Vermieter sollten ihre Rechtsposition nach einer Mieterkündigung kritisch prüfen – und den Rückerlangungswillen ggf. eindeutig dokumentieren.
- Mieter dürfen Möbel nicht unbegrenzt in der Wohnung lassen – sie haften u.U. für die Nutzung als Lager.
- Hausverwalter und Juristen sollten die Trennung zwischen § 546a BGB und bereicherungsrechtlichem Anspruch sauber beachten.
- Kautionsverrechnungen müssen differenziert erfolgen, etwa durch separate Aufrechnung mit Lagerwert oder anteiliger Miete.
Der BGH unterstreicht mit diesem Urteil erneut: Die bloße Tatsache, dass ein Mieter nach Vertragsende „nicht geräumt hat“, rechtfertigt keine pauschale Mietfortzahlung.
Gerichte müssen im Einzelfall prüfen, welche Nutzung vorliegt – und ob der Vermieter überhaupt zurückverlangen wollte.
Maßstäbe für Nutzungsentschädigung nach Mietende geschärft
Mit seinem Urteil schafft der BGH Klarheit über die Voraussetzungen für eine Nutzungsentschädigung nach Mietende. Die Entscheidung stärkt die Rechtssicherheit – und mahnt zur Sorgfalt im Umgang mit Beendigungen von Mietverhältnissen.
Präzise Dokumentation und sachgerechte Bewertung der Nutzung sind künftig unerlässlich. Pauschale Ansprüche auf volle Miete gehören damit der Vergangenheit an.