• Mieterhöhung mit Vergleichsmiete oder Beweisverfahren?

    Miet­erhö­hung: BGH-Urteil zur Ver­gleichs­mie­te und Beweis­ver­fah­ren. Kön­nen Ver­mie­ter ein gericht­li­ches Gut­ach­ten bean­tra­gen, um die orts­üb­li­che Ver­gleichs­mie­te vor einer Miet­erhö­hung fest­stel­len zu las­sen? Der Bun­des­ge­richts­hof (BGH) hat ent­schie­den – und dabei die Rech­te von Mie­tern gestärkt. Das Urteil schränkt die Mög­lich­kei­ten für Ver­mie­ter ein, ein soge­nann­tes selb­stän­di­ges Beweis­ver­fah­ren ein­zu­lei­ten. Für die Pra­xis hat dies gro­ße Bedeutung.

    Was ist passiert?

    In Ber­lin strit­ten Ver­mie­ter und Mie­ter über eine Miet­erhö­hung. Die Ver­mie­ter ver­lang­ten Ende 2023 die Zustim­mung zur Anhe­bung der Mie­te. Der Mie­ter ver­wei­ger­te die­se und bestritt die von den Ver­mie­tern genann­ten wohn­wert­erhö­hen­den Merkmale.

    Dar­auf­hin bean­trag­ten die Ver­mie­ter beim Amts­ge­richt ein Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten im Rah­men eines selb­stän­di­gen Beweis­ver­fah­rens. Ziel war es, die orts­üb­li­che Ver­gleichs­mie­te sowie die rele­van­ten Wohn­wert­merk­ma­le fest­zu­stel­len. Das Amts­ge­richt lehn­te ab. Auch das Land­ge­richt Ber­lin bestä­tig­te die­se Ent­schei­dung. Die Ver­mie­ter gin­gen dar­auf­hin mit Rechts­be­schwer­de zum Bundesgerichtshof.

    Hintergründe Vergleichsmiete oder Beweisverfahren

    Das Miet­recht erlaubt Ver­mie­tern, die Mie­te bis zur orts­üb­li­chen Ver­gleichs­mie­te zu erhö­hen (§ 558 BGB). Zur Begrün­dung kön­nen Ver­mie­ter ver­schie­de­ne Mit­tel her­an­zie­hen: den Miet­spie­gel, Ver­gleichs­woh­nun­gen oder ein Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten (§ 558a Abs. 2 BGB).

    Um Streit zu ver­mei­den, nut­zen Ver­mie­ter manch­mal den Weg über ein selb­stän­di­ges Beweis­ver­fah­ren (§ 485 ZPO). Dabei kann ein Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten erstellt wer­den, bevor ein Haupt­pro­zess läuft. Die Hoff­nung: Streit ver­mei­den, Klar­heit schaffen.

    Die zen­tra­le Fra­ge war also: Darf ein Ver­mie­ter vor­ab ein gericht­li­ches Gut­ach­ten zur Ver­gleichs­mie­te beantragen?

    Worüber wurde gestritten?

    Die Ver­mie­ter woll­ten mit einem Gut­ach­ten klä­ren lassen:

    • Wie hoch ist die orts­üb­li­che Ver­gleichs­mie­te für die Wohnung?
    • Wel­che Wohn­wert­merk­ma­le lie­gen vor (z. B. Aus­stat­tung, Lage, Modernisierung)?

    Sie argu­men­tier­ten, so kön­ne ein spä­te­rer Rechts­streit ver­mie­den wer­den. Der Mie­ter ent­geg­ne­te, dass dafür kein recht­li­ches Inter­es­se bestehe. Zudem sei unklar, für wel­chen Zeit­punkt die Mie­te zu bewer­ten sei, solan­ge kein kon­kre­tes Miet­erhö­hungs­ver­lan­gen vorliege.

    Das Land­ge­richt folg­te die­ser Sicht und wies die Beschwer­de ab. Die Ver­mie­ter hiel­ten dage­gen, das selb­stän­di­ge Beweis­ver­fah­ren die­ne gera­de der Streit­ver­mei­dung und müs­se zuläs­sig sein.

    Das Urteil

    Der BGH wies die Rechts­be­schwer­de zurück. Die Ver­mie­ter haben kein recht­li­ches Inter­es­se an einem sol­chen Beweis­ver­fah­ren, eine Miet­erhö­hung nach der ort­üb­li­chen Ver­gleichs­mie­te ist ausreichend.

    Zen­tra­le Kernaussagen:

    • Die Fest­stel­lung der Ver­gleichs­mie­te oder ein­zel­ner Wohn­wert­merk­ma­le ist kein zuläs­si­ger Gegen­stand eines selb­stän­di­gen Beweisverfahrens.
    • Das Sys­tem der §§ 558 ff. BGB ent­hält bereits ein voll­stän­di­ges Ver­fah­ren für Mieterhöhungen.
    • Ein vor­ge­schal­te­tes Gut­ach­ten wür­de die­ses Sys­tem unter­lau­fen und Mie­ter­rech­te schwächen.

    Begründung des Urteils

    Der BGH begrün­de­te sei­ne Ent­schei­dung ausführlich:

    1. Sys­te­ma­tik des Mieterhöhungsverfahrens
      Ver­mie­ter kön­nen eine Miet­erhö­hung nur unter engen Vor­aus­set­zun­gen ver­lan­gen: frü­hes­tens nach 15 Mona­ten, mit einem for­ma­li­sier­ten Ver­fah­ren und einer Begrün­dung (§ 558 Abs. 1, 2 BGB). Der Mie­ter erhält eine Über­le­gungs­frist von zwei Mona­ten (§ 558b Abs. 2 BGB).
    2. Begrün­dungs­mit­tel
      Der Ver­mie­ter kann einen qua­li­fi­zier­ten Miet­spie­gel oder ein Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten nut­zen. Doch die Kos­ten für das Gut­ach­ten trägt er selbst. Der Mie­ter soll nicht durch zusätz­li­che Ver­fah­ren belas­tet werden.
    3. Zweck des Beweisverfahrens
      Das selb­stän­di­ge Beweis­ver­fah­ren soll Rechts­strei­tig­kei­ten ver­mei­den. Doch im Miet­recht sei es dafür unge­eig­net. Statt Streit zu ver­hin­dern, kön­ne es ihn sogar erzwingen.
    4. Gefahr der Umgehung
      Wür­de ein Gut­ach­ten vor­ab mög­lich sein, müss­te der Mie­ter sich schon äußern, bevor er ein Miet­erhö­hungs­ver­lan­gen erhält. Das wider­spricht dem Schutz­ge­dan­ken des Gesetzes.
    5. Wohn­wert­merk­ma­le
      Vie­le Merk­ma­le kön­nen durch blo­ße Besich­ti­gung fest­ge­stellt wer­den. Dafür ist kein gericht­li­ches Gut­ach­ten nötig. Der Miet­spie­gel ent­hält zudem eine Ori­en­tie­rungs­hil­fe, die Streit schlich­ten soll.

    Bedeutung für die Zukunft

    Das Urteil hat weit­rei­chen­de Folgen:

    • Für Ver­mie­ter: Ein selb­stän­di­ges Beweis­ver­fah­ren zur Fest­stel­lung der Ver­gleichs­mie­te ist aus­ge­schlos­sen. Ver­mie­ter müs­sen das regu­lä­re Ver­fah­ren nut­zen. Wer Gut­ach­ten ein­ho­len will, muss dies pri­vat tun – und die Kos­ten tragen.
    • Für Mie­ter: Sie sind vor ver­früh­ten oder über­mä­ßi­gen Beweis­auf­nah­men geschützt. Sie müs­sen sich erst nach einem for­mel­len Miet­erhö­hungs­ver­lan­gen äußern.
    • Für Haus­ver­wal­ter: Prak­ti­sche Bedeu­tung für die Ver­wal­tung gro­ßer Bestän­de. Streit über Miet­erhö­hun­gen muss kon­se­quent im Ver­fah­ren nach §§ 558 ff. BGB geführt werden.
    • Für Gerich­te: Klar­stel­lung bringt Ent­las­tung. Ver­fah­ren über vor­ge­schal­te­te Gut­ach­ten wer­den entfallen.
    • Für den Miet­spie­gel: Die Rol­le des Miet­spie­gels wird gestärkt. Er bleibt das zen­tra­le Instru­ment zur Begrün­dung von Mieterhöhungen.

    Das Urteil schafft somit kla­re Gren­zen. Es ver­hin­dert, dass Ver­mie­ter durch Vor­ver­fah­ren Druck auf Mie­ter ausüben.

    Das BGH-Urteil stellt klar: Ein selb­stän­di­ges Beweis­ver­fah­ren zur Fest­stel­lung der orts­üb­li­chen Ver­gleichs­mie­te ist unzu­läs­sig, für eine Miet­erhö­hung gibt das BGB einen ver­bind­li­chen Weg vor. Ver­mie­ter müs­sen sich strikt an die Vor­ga­ben des Miet­erhö­hungs­ver­fah­rens hal­ten. Für die Pra­xis bedeu­tet dies: Miet­spie­gel und for­ma­li­sier­te Ver­fah­ren blei­ben der ein­zi­ge Weg.

    (BGH-Beschluss v. 15.7.2025 Az. VIII ZB 69/24)