• BGH-Urteil zu Solaranlage auf Balkon: Rückbaupflicht bestätigt

    Rück­bau­pflicht: BGH-Urteil zu Solar­an­la­ge auf dem Bal­kon. Darf ein Woh­nungs­ei­gen­tü­mer eigen­mäch­tig eine gro­ße Solar­an­la­ge instal­lie­ren? Der Bun­des­ge­richts­hof (BGH) hat hier­zu ein kla­res Wort gespro­chen. Das Urteil ist rich­tungs­wei­send, weil es die Gren­zen indi­vi­du­el­ler Nut­zung und die Pflicht zur Rück­sicht­nah­me in einer Gemein­schaft kon­kre­ti­siert. Die Ent­schei­dung eröff­net neue Per­spek­ti­ven – und zeigt, wo Kon­flik­te im Woh­nungs­ei­gen­tum in Zukunft eska­lie­ren können.

    Was ist passiert?

    Ein Woh­nungs­ei­gen­tü­mer in Ber­lin hat­te auf sei­nem Bal­kon eine gro­ße Solar­an­la­ge mit neun Panee­len instal­liert. Die Anla­ge erstreck­te sich über die gesam­te Brüs­tung und war von außen deut­lich sicht­bar. Schon im Jahr 2004 war er ver­pflich­tet wor­den, eine ähn­li­che Anla­ge zu ent­fer­nen. Doch auch nach fast 20 Jah­ren blieb die Anla­ge bestehen – mit der Fol­ge, dass die Eigen­tü­mer­ge­mein­schaft 2022 erneut klag­te und Rück­bau verlangte.

    Das Amts­ge­richt Wed­ding gab der Kla­ge statt. Das Land­ge­richt Ber­lin hob die­ses Urteil auf und wies die Kla­ge ab. Nun muss­te der Bun­des­ge­richts­hof entscheiden.

    Hintergründe

    Im Kern ging es um die Fra­ge, ob die Instal­la­ti­on der Solar­an­la­ge eine bau­li­che Ver­än­de­rung des Gemein­schafts­ei­gen­tums dar­stellt. Nach dem Woh­nungs­ei­gen­tums­ge­setz (WEG) dür­fen sol­che Maß­nah­men nur mit Zustim­mung der Gemein­schaft erfolgen.

    Das Beson­de­re am Fall: Tei­le der Anla­ge waren zunächst von Pflan­zen ver­deckt. Erst nach­dem die Eigen­tü­mer­ge­mein­schaft Sträu­cher und Bäu­me zurück­ge­schnit­ten hat­te, war die Solar­an­la­ge weit­hin sicht­bar. Der Beklag­te argu­men­tier­te daher, es lie­ge kei­ne erheb­li­che Beein­träch­ti­gung vor.

    Doch die Klä­ger­sei­te hielt dage­gen: Gera­de die deut­li­che opti­sche Abwei­chung von den übri­gen Bal­ko­nen beein­träch­ti­ge das Erschei­nungs­bild der gesam­ten Wohn­an­la­ge erheblich.

    Worüber wurde gestritten?

    Der Streit dreh­te sich um drei Kernpunkte:

    1. Altes oder neu­es Recht?
      War die Anla­ge vor oder nach der WEG-Reform 2020 ange­bracht? Davon hing ab, ob die alte Rechts­la­ge (§ 22 WEG aF) oder das neue Recht (§ 20 WEG nF) anzu­wen­den ist.
    2. Bau­li­che Ver­än­de­rung oder blo­ße Nutzung?
      Der Beklag­te sah die Anla­ge als blo­ße Nut­zung sei­nes Bal­kons. Die Klä­ge­rin wer­te­te sie als bau­li­che Ver­än­de­rung, da sie das opti­sche Gesamt­bild mas­siv präge.
    3. Gestat­tungs­an­spruch
      Konn­te sich der Beklag­te dar­auf beru­fen, dass er nach Treu und Glau­ben eine Geneh­mi­gung hät­te ver­lan­gen können?

    Die­se Fra­gen berühr­ten Grund­satz­the­men des Woh­nungs­ei­gen­tums­rechts – mit Rele­vanz für alle Eigentümergemeinschaften.

    Urteil des Bundesgerichtshofes

    Der Senat stell­te klar:

    1. Kei­ne Sub­stanz­be­rüh­rung erforderlich
      Eine bau­li­che Ver­än­de­rung liegt auch dann vor, wenn kei­ne bau­li­che Sub­stanz berührt wird. Schon eine dau­er­haf­te, optisch auf­fäl­li­ge Maß­nah­me genügt. Das gilt auch für Solaranlagen.
    2. Opti­sche Beein­träch­ti­gung ausreichend
      Die Grö­ße und Sicht­bar­keit der Solar­an­la­ge ver­än­der­ten den Gesamt­ein­druck der Wohn­an­la­ge erheb­lich. Dies stellt einen Nach­teil dar, den ande­re Eigen­tü­mer nicht hin­neh­men müssen.
    3. Gestat­tung nicht ersetzbar
      Ein Eigen­tü­mer kann feh­len­de Zustim­mung nicht durch den Hin­weis auf mög­li­che Bil­li­gung aus­glei­chen. Er muss eine Geneh­mi­gung durch Beschluss erwir­ken – oder eine gericht­li­che Beschluss­erset­zungs­kla­ge führen.
    4. Rechts­klar­heit für die Zukunft
      Der BGH ent­schied aus­drück­lich, dass bau­li­che Ver­än­de­run­gen nach neu­em Recht nur mit vor­he­ri­ger Geneh­mi­gung zuläs­sig sind. Nach­träg­li­che Recht­fer­ti­gun­gen grei­fen nicht mehr.

    Bedeutung für die Zukunft

    Das Urteil hat weit­rei­chen­de Folgen:

    • Für Eigen­tü­mer: Wer eine Solar­an­la­ge, Para­bol­an­ten­ne oder ähn­li­che Ein­rich­tung instal­lie­ren will, benö­tigt zwin­gend einen Beschluss der Gemein­schaft. Eigen­mäch­ti­ges Han­deln ist riskant.
    • Für Ver­wal­ter: Kla­re Pflicht, Eigen­tü­mer auf den Beschluss­zwang hin­zu­wei­sen. Ohne Geneh­mi­gung dro­hen Rück­bau und Kosten.
    • Für Juris­ten: Das Urteil prä­zi­siert den Begriff der „bau­li­chen Ver­än­de­rung“. Schon opti­sche Ver­än­de­run­gen sind erfasst, unab­hän­gig von Substanzeingriffen.
    • Für die Ener­gie­wen­de: Zwar för­dert der Gesetz­ge­ber Pho­to­vol­ta­ik, doch bleibt das Gemein­schafts­in­ter­es­se gewahrt. Pri­vi­le­gie­run­gen – wie für Ste­cker­so­lar­ge­rä­te seit Okto­ber 2024 – ändern dar­an nichts.

    Die Ent­schei­dung stärkt damit das gemein­schaft­li­che Ele­ment des Woh­nungs­ei­gen­tums und stellt sicher, dass indi­vi­du­el­le Inter­es­sen die Gesamt­an­la­ge nicht über­mä­ßig beein­träch­ti­gen. Das BGH-Urteil zur Rück­bau­pflicht der Solar­an­la­ge von dem Bal­kon ver­deut­licht: Eigen­tü­mer­ge­mein­schaf­ten haben ein star­kes Mit­spra­che­recht bei bau­li­chen Ver­än­de­run­gen. Der Rück­bau­zwang zeigt, dass Eigen­mäch­tig­keit in der WEG kei­nen Platz hat. Für die Pra­xis bedeu­tet das: Beschlüs­se sind unver­zicht­bar – und opti­sche Rück­sicht­nah­me bleibt obers­tes Gebot.

    (BGH-Urteil v. 18.7.2025 Az. V ZR 29/24)