• Bauliche Veränderung Klimaanlage: Neues BGH-Urteil

    Bauliche Veränderung Klimaanlage: Was das neue BGH-Urteil für Eigentümer bedeutet

    Die Bau­li­che Ver­än­de­rung durch eine Kli­ma­an­la­ge – steht im Mit­tel­punkt eines aktu­el­len und rich­tungs­wei­sen­den BGH-Urteils vom 10. Okto­ber 2025. Das Urteil betrifft eine Split-Kli­ma­an­la­ge, deren Außen­ge­rät auf einer Dach­ter­ras­se instal­liert wur­de und deren Lei­tun­gen durch die Außen­wand eines Wohn­ge­bäu­des geführt wur­den. Die Ent­schei­dung klärt grund­le­gen­de Fra­gen dazu, wann eine sol­che Instal­la­ti­on als bau­li­che Ver­än­de­rung gilt, wel­ches Recht anwend­bar ist und wann ein Rück­bau ver­langt wer­den darf.

    Der Fall ist exem­pla­risch für vie­le ähn­li­che Strei­tig­kei­ten in Woh­nungs­ei­gen­tü­mer­ge­mein­schaf­ten. Kli­ma­ge­rä­te sind gefragt, doch sie kön­nen erheb­li­che Aus­wir­kun­gen auf Optik, Lärm, Sta­tik und Gemein­schafts­ei­gen­tum haben. Das Urteil zeigt dabei ein­drucks­voll, dass die WEG-Reform 2020 die Prü­fungs­maß­stä­be ver­scho­ben hat – aller­dings nicht rückwirkend.

    Im Fol­gen­den wird die Ent­schei­dung aus­führ­lich, pra­xis­nah und juris­tisch fun­diert dar­ge­stellt. Der Arti­kel rich­tet sich an Eigen­tü­mer, Ver­wal­ter und Juris­ten glei­cher­ma­ßen und zeigt, wel­che Leh­ren aus dem Urteil zu zie­hen sind.

    Was ist passiert?

    Der Streit beginnt 2014. In die­sem Jahr instal­lier­ten die Beklag­ten auf ihrer pri­va­ten Dach­ter­ras­se ein Kli­ma-Split-Gerät, aller­dings ohne vor­he­ri­ge Zustim­mung der Eigen­tü­mer­ge­mein­schaft.

    Die Instal­la­ti­on umfasste:

    • ein Außen­ge­rät auf der Dachterrasse

    • ein Innen­ge­rät in den Wohnräumen

    • Lei­tun­gen, die durch die äuße­re Gebäu­de­wand geführt wurden

    Die­se Durch­drin­gung der Außen­wand ist ein Ein­griff in das Gemein­schafts­ei­gen­tum. Zudem stell­te sich her­aus, dass der Betrieb der Anla­ge nachts die Grenz­wer­te der TA Lärm über­schrei­tet, wäh­rend die Wer­te tags­über ein­ge­hal­ten werden.

    2015 erhob ein ande­rer Woh­nungs­ei­gen­tü­mer Kla­ge auf:

    • Ent­fer­nung der gesam­ten Klimaanlage

    • Besei­ti­gung des Wanddurchbruchs

    Das Amts­ge­richt wies die­sen Haupt­an­trag ab, ver­ur­teil­te die Beklag­ten aber dazu, die Anla­ge nachts nicht zu betrei­ben.

    Das Land­ge­richt Düs­sel­dorf ging wei­ter: es ver­lang­te voll­stän­di­gen Rück­bau.

    Die Beklag­ten leg­ten Revi­si­on ein – mit Erfolg.

    Hintergründe

    Die juris­ti­sche Bewer­tung des Falls setzt ein Ver­ständ­nis der fol­gen­den The­men voraus:

    1. Neue und alte Rechtslage bei baulichen Veränderungen

    Bis zum 30. Novem­ber 2020 galt:

    • § 22 WEG aF
      → Zustim­mung aller betrof­fe­nen Eigen­tü­mer bei bau­li­chen Veränderungen

    Seit dem 1. Dezem­ber 2020 gilt:

    • § 20 WEG nF
      → bau­li­che Ver­än­de­run­gen benö­ti­gen einen Gestat­tungs­be­schluss

    Die Ent­schei­dung, wel­ches Recht anzu­wen­den ist, ist ent­schei­dend für die Fra­ge, ob ein Rück­bau über­haupt ver­langt wer­den kann.

    2. Zeitpunkt der Fertigstellung entscheidend

    Der BGH hat in meh­re­ren Urtei­len bestätigt:

    Die Beur­tei­lung der Rechts­wid­rig­keit rich­tet sich nach dem Recht, das im Zeit­punkt der Vor­nah­me der bau­li­chen Ver­än­de­rung galt.

    Die Kli­ma­an­la­ge wur­de 2014 installiert.

    → Damit gilt altes Recht.

    3. Prozessführungsbefugnis trotz WEMoG?

    Seit der WEG-Reform 2020 kön­nen Besei­ti­gungs­an­sprü­che grund­sätz­lich nur noch von der Gemein­schaft der Woh­nungs­ei­gen­tü­mer gel­tend gemacht wer­den (§ 9a Abs. 2 WEG).

    Der BGH bestä­tigt jedoch:

    Wenn ein Ver­fah­ren vor dem 1. Dezem­ber 2020 begon­nen wur­de, bleibt die Pro­zess­füh­rungs­be­fug­nis des Ein­zel­nen bestehen, bis die Gemein­schaft widerspricht.

    Das war hier nicht geschehen.

    4. TA Lärm als Anhaltspunkt

    Die TA Lärm spielt eine Rol­le bei der Bewer­tung, ob ein Ein­griff Nach­barn beein­träch­tigt. Der BGH betont erneut:

    Die TA Lärm bie­tet brauch­ba­re Anhalts­punk­te für die Bewer­tung von Störungen.

    Trotz der Über­schrei­tung der Grenz­wer­te nachts war der Fall nicht so ein­fach, wie das Land­ge­richt meinte.

    Worüber wurde gestritten?

    Es ging in die­sem Ver­fah­ren um meh­re­re zen­tra­le Fra­gen, die in der Pra­xis häu­fig auftreten:

    1. Liegt eine bauliche Veränderung vor?

    Die Lei­tungs­durch­füh­rung durch die Außen­wand stellt zwei­fel­los eine bau­li­che Ver­än­de­rung dar.

    2. Welches Recht ist anwendbar?

    Das Land­ge­richt ging irr­tüm­lich von neu­em Recht aus.
    Der BGH korrigierte:

    Instal­la­ti­on 2014 → Anwen­dung des § 22 WEG aF

    3. Liegt ein Nachteil im Sinne von § 14 Nr. 1 WEG aF vor?

    Bei alten Fäl­len ent­schei­det der „Nach­teil“ über den Rück­bau.
    Ein sol­cher Nach­teil kann sich erge­ben aus:

    • Lärm

    • bau­li­chen Risiken

    • opti­schen Veränderungen

    • Stö­run­gen für das Gemeinschaftseigentum

    4. Gibt es einen Gestattungsanspruch nach § 242 BGB?

    Nach stän­di­ger Rechtsprechung:

    Wenn ein Eigen­tü­mer einen Gestat­tungs­an­spruch gehabt hät­te, kann er Rück­bau abwehren.

    Genau das hat­te das Land­ge­richt ignoriert.

    5. Ist der Nachtbetrieb relevant?

    Das Amts­ge­richt hat­te den Nacht­be­trieb ver­bo­ten. Die Beklag­ten haben das akzep­tiert und die Beru­fung dar­auf nicht erstreckt.

    Der BGH stellt klar:

    Wenn der Nacht­be­trieb bereits unter­sagt ist, kann er nicht zusätz­lich zur Beur­tei­lung eines Rück­bau­an­spruchs her­an­ge­zo­gen werden.

    Urteil des Gerichts

    Der Bun­des­ge­richts­hof hob das Urteil des Land­ge­richts auf. Die Sache wur­de zurück­ver­wie­sen. Der BGH entschied:

    1. Der Kläger bleibt prozessführungsbefugt.

    Das Ver­fah­ren begann vor Dezem­ber 2020.

    Kein Wider­spruch der GdWE lag vor.

    2. Das Landgericht hat das falsche Recht angewendet.

    Die 2014 instal­lier­te Kli­ma­an­la­ge ist nach § 22 WEG aF zu beurteilen.

    3. Der Rückbau ist nicht automatisch geschuldet.

    Der BGH erkennt:

    Ein Gestat­tungs­an­spruch nach altem Recht könn­te bestehen.

    Da das Land­ge­richt die­sen Punkt nicht geprüft hat, muss es das nachholen.

    4. Der Nachtbetrieb spielt keine Rolle mehr.

    Er ist bereits unter­sagt und darf nicht noch ein­mal berück­sich­tigt werden.

    5. Optik und Wanddurchbruch müssen geprüft werden.

    Unter ande­rem muss unter­sucht werden:

    • Ist die Anla­ge optisch störend?

    • Ver­än­dert der Wand­durch­bruch das Erschei­nungs­bild wesentlich?

    • Wer­den ande­re Eigen­tü­mer objek­tiv beeinträchtigt?

    Begründung des Urteils

    Der BGH lie­fert eine aus­führ­li­che und lehr­rei­che Begründung.

    1. Altes Recht schützt Vertrauen und Rechtssicherheit

    Der BGH bestä­tigt konsequent:

    Was vor der WEG-Reform gebaut wur­de, wird nach altem Recht bewertet.

    Damit schafft er Klar­heit für zahl­rei­che Altfälle.

    2. Rückbau nach altem Recht nur bei Nachteil

    Ein Rück­bau kann nur ver­langt wer­den, wenn ein Nach­teil i.S.v. § 14 Nr. 1 WEG aF besteht.

    Der Nach­teil muss:

    • objek­tiv

    • spür­bar

    • erheb­lich

    sein.

    Der Nacht­lärm fällt dafür weg, weil die Beklag­ten ihn schon unter­las­sen müssen.

    3. Der Gestattungsanspruch nach § 242 BGB bleibt zentral

    Ein Eigen­tü­mer kann sich gegen den Rück­bau ver­tei­di­gen, wenn:

    • der Ein­griff tech­nisch sau­ber ist

    • kei­ne Nach­tei­le bestehen

    • ande­re Eigen­tü­mer nicht erheb­lich beein­träch­tigt sind

    Der BGH sieht die­sen Anspruch als „Gegen­rech­te-Blo­cka­de“ zum Rückbau:

    Fehlt ein Nach­teil, ent­steht ein Anspruch auf Gestat­tung, der dem Rück­bau entgegensteht.

    4. Optische Auswirkungen sind wichtig

    Der BGH ver­langt aus­drück­lich eine Prü­fung, ob die Kli­ma­an­la­ge das Erschei­nungs­bild des Gebäu­des beeinträchtigt.

    Dies ist oft das zen­tra­le Streit­feld in WEG-Anlagen.

    5. Wanddurchbrüche sind nicht automatisch nachteilig

    Aus­drück­lich sagt der BGH:

    Ein Durch­bruch einer tra­gen­den Wand ist nicht auto­ma­tisch ein Nachteil.

    Auch hier ist eine indi­vi­du­el­le Prü­fung erforderlich.

    Bedeutung für die Zukunft

    Die­ses Urteil hat erheb­li­che prak­ti­sche und rechts­po­li­ti­sche Bedeutung.

    1. Viele Klimaanlagen sind Altfälle nach § 22 WEG aF

    Mit zuneh­men­dem Kli­ma­an­la­gen-Aus­bau tref­fen vie­le Gemein­schaf­ten heu­te auf Anla­gen, die:

    • ohne Geneh­mi­gung

    • vor 2020

    • tech­nisch unzu­rei­chend dokumentiert

    instal­liert wurden.

    Die­ses Urteil zeigt:

    → Ent­schei­dend ist der Zeit­punkt der Instal­la­ti­on, nicht die Fort­dau­er der Auswirkungen.

    2. Rückbau ist schwieriger durchsetzbar

    Die Gemein­schaft muss nachweisen:

    • dass ein erheb­li­cher Nach­teil besteht

    • dass die­ser Nach­teil auch heu­te noch besteht

    • dass tech­ni­sche Maß­nah­men ihn nicht besei­ti­gen können

    Das erhöht die Anfor­de­run­gen an Rückbauklagen.

    3. Verwalter müssen technische Gutachten einholen

    Die Beur­tei­lung umfasst:

    • Lärm­wer­te

    • Sta­tik

    • Brand­schutz

    • Opti­sche Einbindung

    • Wand­durch­brü­che

    Nur so kann ein Gericht die nöti­ge Abwä­gung treffen.

    4. Eigentümer erhalten mehr Rechtssicherheit

    Vie­le Eigen­tü­mer, die alte Kli­ma­an­la­gen oder ande­re Gerä­te ange­bracht haben, gewin­nen Klarheit:

    • Rück­bau droht nicht automatisch

    • Wenn kei­ne aktu­el­len Nach­tei­le bestehen, bleibt die Anla­ge bestehen

    5. TA Lärm bleibt ein wichtiger Maßstab

    Der BGH bestätigt:

    Grenz­wer­te der TA Lärm sind rele­van­te Anhalts­punk­te – auch im WEG-Recht.

    6. Optik bleibt ein zentraler Streitpunkt

    Schon klei­ne Außen­ge­rä­te kön­nen das Erschei­nungs­bild verändern.

    Gerich­te müs­sen nun:

    • Grö­ße

    • Far­be

    • Sicht­bar­keit

    • Ein­heit­lich­keit

    bewer­ten.

    7. Rechtssicherheit für Gemeinschaften

    Gemein­schaf­ten müs­sen künftig:

    • genau­er dokumentieren

    • früh­zei­tig Beschlüs­se fassen

    • auf fach­li­che Emp­feh­lung achten

    • bestehen­de Ver­bo­te (z. B. Nacht­be­trieb) durchsetzen

    Fazit

    Das BGH-Urteil zur bau­li­chen Ver­än­de­rung beim Ein­bau einer Kli­ma­an­la­ge schafft wich­ti­ge Klar­heit für die Pra­xis. Es zeigt:

    • Altes Recht bleibt maß­geb­lich, wenn die Instal­la­ti­on vor 2020 erfolgte.

    • Ein Rück­bau ist nur mög­lich, wenn ein erheb­li­cher Nach­teil besteht.

    • Der Gestat­tungs­an­spruch spielt wei­ter­hin eine bedeu­ten­de Rolle.

    • Geräu­sche, opti­sche Ver­än­de­run­gen und Wand­durch­brü­che müs­sen ein­zeln geprüft werden.

    • Der Nacht­be­trieb ist von der Fra­ge des Rück­baus zu trennen.

    Für Woh­nungs­ei­gen­tü­mer, Ver­wal­ter und Juris­ten lie­fert die­ses Urteil wich­ti­ge Leit­li­ni­en. Es stärkt die Ein­zel­fall­prü­fung und ver­hin­dert pau­scha­le Rück­bau­for­de­run­gen. Gleich­zei­tig schützt es die Gemein­schaft vor nach­tei­li­gen Ein­grif­fen, wenn sie tech­nisch oder optisch stö­rend sind.

    (BGH-Urteil v. 10.10.2025, Az. V ZR 41/24)