Schonfristzahlung und ordentliche Kündigung – diese Frage beschäftigt seit Jahren Mieter, Vermieter und Gerichte. Muss ein Mieter trotz Nachzahlung der Mietschulden die Wohnung räumen, wenn der Vermieter ordentlich kündigt? Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 23. Juli 2025 im Fall VIII ZR 287/23 ein wichtiges Urteil gefällt. Es bringt Klarheit für die Praxis und beendet die widersprüchliche Rechtsprechung der Instanzgerichte.
Was ist passiert?
Der Fall spielte sich in Berlin ab. Ein Mieter hatte seit Jahren Probleme mit pünktlichen Mietzahlungen. Im Dezember 2020 und Februar 2021 blieb die Miete vollständig aus. Die Vermieterin erklärte daraufhin am 10. Februar 2021 die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses.
Der Mieter zahlte die Rückstände kurz darauf nach – innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Schonfrist. Das Amtsgericht Kreuzberg gab der daraufhin erhobenen Räumungsklage statt. Doch das Landgericht Berlin sah das anders und wies die Klage ab: Nach seiner Auffassung heile die Schonfristzahlung nicht nur eine fristlose, sondern auch eine ordentliche Kündigung.
Die Vermieterin legte Revision zum BGH ein – mit Erfolg.
Hintergründe zur Schonfristzahlung
Die Schonfristzahlung ist in § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB geregelt. Danach wird eine fristlose Kündigung wegen Mietrückständen unwirksam, wenn der Mieter innerhalb von zwei Monaten nach Klageerhebung sämtliche Rückstände und laufende Mieten zahlt.
Die Vorschrift soll Mieter vor dem Wohnungsverlust schützen, wenn sie unverschuldet oder kurzfristig in Zahlungsverzug geraten.
Strittig war jedoch: Gilt die Heilung auch für eine ordentliche Kündigung?
- Ja, sagten manche Gerichte: Die Schonfristzahlung müsse auch eine ordentliche Kündigung unwirksam machen, sonst sei der Mieterschutz unvollständig.
- Nein, sagt der BGH: Der Gesetzeswortlaut bezieht sich ausdrücklich nur auf fristlose Kündigungen.
Genau um diese Frage drehte sich der Fall.
Worüber wurde gestritten? Schonfristzahlung und ordentliche Kündigung
Im Zentrum stand die Auslegung von § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB.
- Der Mieter argumentierte, die Schonfristzahlung müsse auch die ordentliche Kündigung erfassen. Andernfalls laufe der Mieterschutz leer, weil Vermieter einfach die ordentliche Kündigung wählen könnten.
- Die Vermieterin hielt dagegen: Das Gesetz unterscheide klar zwischen fristloser und ordentlicher Kündigung. Die Heilungswirkung sei nur auf die fristlose Kündigung beschränkt.
Das Landgericht Berlin stellte sich auf die Seite des Mieters. Es entschied, dass die Schonfristzahlung auch die ordentliche Kündigung unwirksam mache.
Der BGH widersprach.
Urteil des Gerichts: Schonfristzahlung und ordentliche Kündigung
Der BGH hob das Urteil des Landgerichts Berlin auf und verwies den Fall zurück
Zentrale Aussage:
- Eine Schonfristzahlung heilt nur die fristlose Kündigung (§ 543 BGB), nicht aber eine ordentliche Kündigung (§ 573 BGB).
- Die Vorschrift des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB sei weder unmittelbar noch analog auf ordentliche Kündigungen anwendbar.
Damit bestätigte der BGH seine bisherige Linie, die er in mehreren Entscheidungen zuvor deutlich gemacht hatte (z.B. VIII ZR 307/21, VIII ZR 106/23 o. VIII ZR 177/23).
Begründung des Urteils: Schonfristzahlung und ordentliche Kündigung
Der Senat legte ausführlich dar, warum die Heilungswirkung auf die fristlose Kündigung beschränkt bleibt:
- Gesetzeswortlaut eindeutig:
§ 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB nennt ausdrücklich nur die fristlose Kündigung. Eine Ausweitung auf die ordentliche Kündigung wäre eine unzulässige Analogie. - Unterschiedliche Funktionen der Kündigungsarten:
- Die fristlose Kündigung ist eine Sanktion für schwere Pflichtverletzungen, die sofort beendet werden muss.
- Die ordentliche Kündigung dient dem Schutz der Vermieterinteressen bei nachhaltigen Pflichtverletzungen, die das Vertrauensverhältnis zerstören.
- Mieterschutz ausreichend gewährleistet:
Der Gesetzgeber habe bewusst nur die fristlose Kündigung geheilt. Bei einer ordentlichen Kündigung müsse das Interesse des Vermieters an verlässlichen Mietzahlungen stärker wiegen. - Rechtssicherheit:
Eine erweiterte Heilungswirkung würde zu Rechtsunsicherheit führen. Vermieter könnten sich nicht darauf verlassen, dass eine ordentliche Kündigung Bestand hat.
Bedeutung für die Zukunft: Schonfristzahlung und ordentliche Kündigung
Das Urteil hat erhebliche praktische Relevanz:
- Für Mieter: Eine Schonfristzahlung rettet das Mietverhältnis nur bei fristloser Kündigung. Liegt auch eine ordentliche Kündigung vor, bleibt diese wirksam. Mieter sollten daher unbedingt Rückstände vermeiden – Nachzahlungen helfen nicht immer.
- Für Vermieter: Das Urteil stärkt ihre Position. Sie können eine ordentliche Kündigung wegen Zahlungsrückständen auch dann durchsetzen, wenn der Mieter innerhalb der Schonfrist zahlt. Allerdings müssen die Voraussetzungen des § 573 BGB erfüllt sein.
- Für Gerichte: Der BGH beendet die uneinheitliche Praxis. Die Rechtslage ist nun klar: Heilung nur bei fristloser Kündigung.
- Für die Wohnungswirtschaft: Das Urteil bringt Rechtssicherheit. Vermieter können ihre Prozesse besser planen, Mieter wissen klar, wo ihre Schutzrechte enden.
Die Entscheidung VIII ZR 287/23 bringt Klarheit in eine lange umstrittene Frage: Die Schonfristzahlung heilt allein die fristlose Kündigung, nicht aber die ordentliche Kündigung. Für Mieter bedeutet das: Wer mehrfach in Zahlungsverzug gerät, riskiert den Wohnungsverlust trotz nachträglicher Zahlung. Für Vermieter bedeutet es: Sie können sich bei wiederholtem Mietrückstand auf die ordentliche Kündigung verlassen.
(BGH-Urteil v. 23.7.2025, Az. VIII ZR 287/23)