• BGH-Urteil: Juristische Personen können Verwaltungsbeirat werden

    Dür­fen juris­ti­sche Per­so­nen Mit­glied im Ver­wal­tungs­bei­rat einer Woh­nungs­ei­gen­tü­mer­ge­mein­schaft wer­den? Die­se bis­lang umstrit­te­ne Fra­ge hat der Bun­des­ge­richts­hof (BGH) nun ein­deu­tig beant­wor­tet. Das aktu­el­le Urteil stärkt die Mit­wir­kungs­rech­te von Kör­per­schaf­ten, Unter­neh­men und Kom­mu­nen und sorgt für neue Rechts­si­cher­heit im Woh­nungs­ei­gen­tums­recht.

    Hintergründe der Verwaltungsbeirat

    Der Ver­wal­tungs­bei­rat hat im Sys­tem des Woh­nungs­ei­gen­tums­ge­set­zes (§ 29 WEG) eine bera­ten­de und kon­trol­lie­ren­de Funk­ti­on. Er unter­stützt den Ver­wal­ter, prüft Abrech­nun­gen und Ver­trä­ge und bil­det ein wich­ti­ges Bin­de­glied zwi­schen Ver­wal­ter und Eigentümerversammlung.

    Laut Gesetz kön­nen nur Woh­nungs­ei­gen­tü­mer durch Beschluss in den Bei­rat gewählt wer­den. Doch was gilt, wenn eine juris­ti­sche Per­son – etwa eine Gemein­de, eine Stif­tung oder ein Unter­neh­men – als Eigen­tü­me­rin auf­tritt? Ist sie selbst wähl­bar? Oder muss sie durch eine natür­li­che Per­son ver­tre­ten wer­den, die ihrer­seits Eigen­tü­mer ist?

    Die­se Fra­gen führ­ten bis­lang regel­mä­ßig zu Unsi­cher­hei­ten – und zu Streit­fäl­len, wie im hier ent­schie­de­nen Fall.

    Was ist passiert?

    In einer Eigen­tü­mer­ver­samm­lung der beklag­ten Woh­nungs­ei­gen­tü­mer­ge­mein­schaft wur­de eine Mit­ar­bei­te­rin der Gemein­de U. in den Ver­wal­tungs­bei­rat gewählt – obwohl sie selbst kei­ne Woh­nungs­ei­gen­tü­me­rin ist. Die For­mu­lie­rung des Beschlus­ses lau­te­te: „Die Eigen­tü­mer­ge­mein­schaft wählt Frau S. R. in den Ver­wal­tungs­bei­rat.“ Die Gemein­de war Eigen­tü­me­rin einer Einheit.

    Eine Mit­ei­gen­tü­me­rin sah hier­in einen for­mel­len Feh­ler: Da die gewähl­te Per­son kei­ne Eigen­tü­me­rin sei, kön­ne sie nicht recht­mä­ßig in den Bei­rat bestellt wer­den. Sie focht den Beschluss an – zunächst erfolg­los. Die Kla­ge wur­de sowohl vom Amts- als auch vom Land­ge­richt abge­wie­sen. Der Fall lan­de­te schließ­lich beim Bundesgerichtshof.

    Worüber wurde gestritten?

    Im kon­kre­ten Fall war strei­tig, ob mit dem Beschluss tat­säch­lich die Mit­ar­bei­te­rin oder nicht viel­mehr die Gemein­de selbst in den Ver­wal­tungs­bei­rat bestellt wor­den war.

    Die Klä­ge­rin argu­men­tier­te: Nur natür­li­che Per­so­nen könn­ten Bei­rats­mit­glie­der sein, und die­se müss­ten Woh­nungs­ei­gen­tü­mer sein. Die Beklag­te hielt dage­gen: Der Wil­le der Ver­samm­lung habe sich auf die Gemein­de bezo­gen, nicht auf deren Ange­stell­te. Der Beschluss sei nur miss­ver­ständ­lich for­mu­liert worden.

    Im Kern ging es also um die Aus­le­gung des Beschlus­ses: Was woll­ten die Eigen­tü­mer tat­säch­lich beschlie­ßen – und war dies recht­lich zulässig?

    Urteil des BGH

    Der BGH wies die Revi­si­on der Klä­ge­rin zurück. Der Beschluss sei wirk­sam. Die Gemein­de sei – trotz der nament­li­chen Nen­nung der Mit­ar­bei­te­rin – wirk­sam zum Mit­glied des Ver­wal­tungs­bei­rats bestellt worden.

    Ent­schei­dend sei, so der BGH, wie ein unbe­fan­ge­ner Beob­ach­ter den Beschluss ver­ste­hen müs­se. Auf­grund der Umstän­de der Ver­samm­lung sei klar erkenn­bar gewe­sen, dass nicht die Mit­ar­bei­te­rin per­sön­lich kan­di­dier­te, son­dern die Gemein­de ver­tre­ten wur­de. Die Nen­nung der Mit­ar­bei­te­rin sei ledig­lich als Hin­weis auf die inter­ne Ver­tre­tung der Gemein­de zu ver­ste­hen gewesen.

    Begründung des Urteils

    Der BGH nutz­te das Urteil für eine grund­le­gen­de Klärung:

    1. Juris­ti­sche Per­so­nen dür­fen Bei­rats­mit­glie­der sein, wenn sie Woh­nungs­ei­gen­tü­mer sind. Dies ergibt sich aus dem Geset­zes­wort­laut und der Sys­te­ma­tik des WEG.

    2. Nicht zuläs­sig ist hin­ge­gen die Bestel­lung von Per­so­nen, die ledig­lich für eine juris­ti­sche Per­son tätig sind, selbst aber kei­ne Eigen­tü­mer sind – es sei denn, die Gemein­schafts­ord­nung erlaubt aus­drück­lich auch die Wahl von Nicht-Eigen­tü­mern in den Beirat.

    3. Beschlüs­se sind im Zwei­fel so aus­zu­le­gen, dass sie recht­mä­ßig sind. Wer­de eine juris­ti­sche Per­son ver­tre­ten und gleich­zei­tig eine natür­li­che Per­son nament­lich genannt, sei davon aus­zu­ge­hen, dass die Kör­per­schaft gemeint sei – nicht der Mensch.

    4. Das Bei­rats­amt ist nicht höchst­per­sön­lich. Der BGH stellt klar: Es ist nicht erfor­der­lich, dass das Amt an eine bestimm­te natür­li­che Per­son gebun­den ist. Auch juris­ti­sche Per­so­nen kön­nen Bei­rats­auf­ga­ben sach­ge­recht erfül­len, etwa durch die Ent­sen­dung eines Mitarbeiters.

    5. Die prak­ti­sche Umset­zung bleibt fle­xi­bel. Die juris­ti­sche Per­son trägt die Ver­ant­wor­tung dafür, wen sie zur Aus­übung des Bei­rats­amts ein­setzt. Der Ver­tre­ter muss kein Organ­mit­glied sein – auch sach­kun­di­ge Ange­stell­te kön­nen beauf­tragt werden.

    Bedeutung für die Zukunft

    Das Urteil schafft drin­gend benö­tig­te Rechts­si­cher­heit. In der Pra­xis sind juris­ti­sche Per­so­nen – ins­be­son­de­re Kom­mu­nen, Woh­nungs­ge­sell­schaf­ten oder kirch­li­che Trä­ger – viel­fach Mit­ei­gen­tü­mer in Woh­nungs­ei­gen­tums­an­la­gen. Die Fra­ge ihrer Betei­li­gung an der Selbst­ver­wal­tung war bis­lang ungeklärt.

    Nun gilt:

    • Juris­ti­sche Per­so­nen sind wähl­bar, wenn sie Eigen­tü­mer sind.

    • Die Ver­tre­tung im Bei­rat ist intern regelbar.

    • Beschlüs­se soll­ten klar for­mu­liert und Ver­tre­tungs­ver­hält­nis­se trans­pa­rent gemacht werden.

    Für Ver­wal­ter, Bei­rä­te und Ver­samm­lungs­lei­ter bedeu­tet das:

    • Die For­mu­lie­rung der Tages­ord­nung und des Beschluss­in­halts soll­te ein­deu­tig zwi­schen Bestel­lung der juris­ti­schen Per­son und Benen­nung ihres Ver­tre­ters unterscheiden.

    • Bestehen Zwei­fel an der Rechts­la­ge, kann eine Klar­stel­lung in der Gemein­schafts­ord­nung helfen.

    • Die Wahl juris­ti­scher Per­so­nen soll­te nicht aus dog­ma­ti­schen Grün­den abge­lehnt wer­den, wenn sie sach­ge­recht erscheint.

     

    Der Bun­des­ge­richts­hof hat mit dem Urteil v. 4.7.2025 (Az. V ZR 225/24) eine wich­ti­ge Fra­ge im Woh­nungs­ei­gen­tums­recht geklärt. Juris­ti­sche Per­so­nen dür­fen als Woh­nungs­ei­gen­tü­mer in den Ver­wal­tungs­bei­rat gewählt wer­den. Ihre Ver­tre­ter müs­sen dabei nicht selbst Eigen­tü­mer sein. Damit trägt der BGH der Rea­li­tät in vie­len Gemein­schaf­ten Rech­nung und stärkt die Hand­lungs­fä­hig­keit des Verwaltungsbeirats.

    (BGH-Urteil v. 4.7.2025, Az. V ZR 225/24)