• BGH Bei Hausgeldvorschüssen haben Eigentümer viel Spielraum

    Hausgeld und Wirtschaftsplan im WEG: BGH stärkt Eigentümer

    Beim Haus­geld und Wirt­schafts­plan im WEG hat der Bun­des­ge­richts­hof (BGH) eine Grund­satz­ent­schei­dung getrof­fen, die die Rech­te von Eigen­tü­mer­ge­mein­schaf­ten deut­lich stärkt. Nach dem Urteil des BGH dür­fen die Eigen­tü­mer bei Haus­geld­vor­schüs­sen und Rück­la­gen mit wei­tem Ermes­sens­spiel­raum beschlie­ßen. Nur wenn die­se offen­sicht­lich über­höht oder zu nied­rig sind, kann ein Beschluss ange­foch­ten werden.

    Das Urteil bringt Rechts­si­cher­heit für Ver­wal­ter und Eigen­tü­mer – und bremst zugleich über­zo­ge­ne Anfech­tungs­kla­gen, die in vie­len Gemein­schaf­ten zu läh­men­den Strei­tig­kei­ten führen.

    Was ist passiert?

    Der Klä­ger war Mit­glied einer Woh­nungs­ei­gen­tü­mer­ge­mein­schaft (GdWE) in Düs­sel­dorf. In der Eigen­tü­mer­ver­samm­lung im Juni 2022 beschlos­sen die Eigen­tü­mer unter Tages­ord­nungs­punkt 6 (TOP 6) die Vor­schüs­se für das Jahr 2022. Grund­la­ge war der vom Ver­wal­ter erstell­te Wirtschaftsplan.

    Die­ser Plan ent­hielt die vor­aus­sicht­li­chen Ein­nah­men und Aus­ga­ben für das Wirt­schafts­jahr. Dazu gehör­ten Kos­ten­po­si­tio­nen wie Ver­wal­tung, Ver­si­che­run­gen, Was­ser, Instand­hal­tung sowie eine Zufüh­rung zur Erhal­tungs­rück­la­ge in Höhe von 20.000 Euro.

    Der Klä­ger hielt den Beschluss für feh­ler­haft und reich­te Anfech­tungs­kla­ge ein. Er argu­men­tier­te, die Ansät­ze im Wirt­schafts­plan sei­en unrea­lis­tisch, teil­wei­se unzu­läs­sig und ins­ge­samt über­höht. Außer­dem kri­ti­sier­te er ein­zel­ne Posi­tio­nen – etwa eine Anmie­tung einer Fahr­rad­ga­ra­ge, eine Zusatz­ver­gü­tung der neu­en Ver­wal­te­rin und Rechts­be­ra­tungs­kos­ten in Höhe von 12.000 Euro.

    Sowohl das Amts­ge­richt Düs­sel­dorf als auch das Land­ge­richt Düs­sel­dorf wie­sen die Kla­ge ab. Das Land­ge­richt ließ die Revi­si­on jedoch zu, weil bis­lang unklar war, wie weit das Ermes­sen der Eigen­tü­mer bei der Beschluss­fas­sung über Haus­geld­vor­schüs­se reicht.

    Der BGH bestä­tig­te schließ­lich die Urtei­le der Vor­in­stan­zen – und stell­te Grund­sätz­li­ches klar.

    Hintergründe zu Hausgeldvorschüssen 

    Das Haus­geld ist die finan­zi­el­le Grund­la­ge der Eigen­tü­mer­ge­mein­schaft. Es deckt alle gemein­schaft­li­chen Kos­ten – etwa für Haus­meis­ter, Strom, Hei­zung, Ver­si­che­run­gen und Ver­wal­tung. Die Höhe des Haus­gelds ergibt sich aus dem Wirt­schafts­plan, den der Ver­wal­ter jähr­lich erstellt (§ 28 Abs. 1 WEG).

    Der Wirt­schafts­plan ist eine Pro­gno­se, kei­ne Abrech­nung. Er schätzt, wel­che Kos­ten im kom­men­den Jahr vor­aus­sicht­lich ent­ste­hen. Auf die­ser Grund­la­ge wer­den die monat­li­chen Vor­schüs­se fest­ge­legt, die Eigen­tü­mer an die Gemein­schaft zah­len müssen.

    Im Rah­men der Jah­res­ab­rech­nung wer­den die­se Vor­schüs­se spä­ter mit den tat­säch­li­chen Aus­ga­ben verrechnet.

    Strei­tig­kei­ten ent­ste­hen häu­fig, wenn Eigen­tü­mer mei­nen, der Wirt­schafts­plan sei feh­ler­haft oder über­zo­gen. Oft wird dann der Beschluss über das Haus­geld vor Gericht ange­foch­ten – mit der Begrün­dung, die Kos­ten sei­en zu hoch oder unklar kalkuliert.

    Das Urteil des BGH sorgt nun für kla­re Leit­li­ni­en, wann eine sol­che Anfech­tung Aus­sicht auf Erfolg hat.

    Worüber wurde beim Hausgeld und Wirtschaftsplan im WEG gestritten?

    Der Klä­ger sah sich durch den Beschluss der Eigen­tü­mer­ver­samm­lung unrecht­mä­ßig belas­tet. Er kri­ti­sier­te ins­be­son­de­re fol­gen­de Punkte:

    1. Kos­ten für eine Fahr­rad­ga­ra­ge (1.500 Euro):
      Die­se sei­en unzu­läs­sig, weil der Miet­ver­trag mög­li­cher­wei­se nich­tig sei.

    2. Zusatz­ver­gü­tung für den Ver­wal­ter (3.000 Euro):
      Die Zah­lung an die neue Haus­ver­wal­tung sei nicht gerechtfertigt.

    3. Rechts­be­ra­tungs­kos­ten (12.000 Euro):
      Die­se Posi­ti­on sei über­zo­gen, da frü­he­re anwalt­li­che Beauf­tra­gun­gen für ungül­tig erklärt wor­den seien.

    4. Erhal­tungs­rück­la­ge (20.000 Euro):
      Die Rück­la­ge sei zu hoch, es gebe kei­nen kon­kre­ten Reparaturbedarf.

    Das Land­ge­richt Düs­sel­dorf wies alle Argu­men­te zurück. Die Rich­ter beton­ten, dass Eigen­tü­mer­ge­mein­schaf­ten bei der Auf­stel­lung eines Wirt­schafts­plans einen wei­ten Ermes­sens­spiel­raum haben. Der Klä­ger leg­te dar­auf­hin Revi­si­on beim Bun­des­ge­richts­hof ein – ohne Erfolg.

    Urteil des BGH

    Der Bun­des­ge­richts­hof (Urteil vom 26. Sep­tem­ber 2025, V ZR 108/24) entschied:

    „Bei der Beschluss­fas­sung über die Vor­schüs­se zur Kos­ten­tra­gung steht den Woh­nungs­ei­gen­tü­mern sowohl hin­sicht­lich der ein­zu­stel­len­den Posi­tio­nen als auch im Hin­blick auf deren Höhe ein wei­tes Ermes­sen zu. Anfecht­bar kann der Beschluss allen­falls dann sein, wenn im Zeit­punkt der Beschluss­fas­sung evi­dent ist, dass er zu weit über­höh­ten oder wesent­lich zu nied­ri­gen Vor­schüs­sen führt.“

    Damit bestä­tig­te der BGH die Rechts­auf­fas­sung des Land­ge­richts Düs­sel­dorf und stärk­te die Ent­schei­dungs­kom­pe­tenz der Eigen­tü­mer­ge­mein­schaft, bei Haus­geld­vor­schüs­sen haben Eigen­tü­mer einen gro­ßen Spielraum.

    Der Senat stell­te klar:
    Ein Wirt­schafts­plan ist kein exak­ter Kos­ten­plan, son­dern eine ver­nünf­ti­ge Schät­zung. Eigen­tü­mer dür­fen groß­zü­gig kal­ku­lie­ren, um Nach­for­de­run­gen am Jah­res­en­de zu vermeiden.

    Erst wenn der Beschluss „offen­sicht­lich rea­li­täts­fern“ ist – etwa dop­pelt so hohe Kos­ten­an­sät­ze ohne sach­li­che Grund­la­ge –, kann ein Gericht ihn wegen Ver­sto­ßes gegen ord­nungs­mä­ßi­ge Ver­wal­tung (§ 21 Abs. 4 WEG) auf­he­ben.

    Begründung des Urteils 

    Der BGH erläu­ter­te sei­ne Ent­schei­dung aus­führ­lich und hob meh­re­re Grund­sät­ze hervor:

    1. Weites Ermessen der Eigentümer

    Die Eigen­tü­mer dür­fen selbst ent­schei­den, wel­che Kos­ten­po­si­tio­nen in den Wirt­schafts­plan auf­ge­nom­men wer­den und in wel­cher Höhe.

    „Das Ermes­sen der Eigen­tü­mer erstreckt sich sowohl auf die Posi­tio­nen als auch auf deren Höhe“, so der BGH.

    Die­ses Ermes­sen soll sicher­stel­len, dass die Gemein­schaft hand­lungs­fä­hig bleibt und not­wen­di­ge Zah­lun­gen pünkt­lich erfolgen.

    2. Prognosecharakter des Wirtschaftsplans

    Ein Wirt­schafts­plan ist eine vor­aus­schau­en­de Schät­zung. Eigen­tü­mer dür­fen sich an den zu erwar­ten­den Kos­ten ori­en­tie­ren – auch wenn die­se noch nicht end­gül­tig feststehen.

    Der BGH betonte:

    „Der Wirt­schafts­plan soll dem Ver­wal­ter ermög­li­chen, die vor­aus­sicht­lich ent­ste­hen­den Kos­ten zu begleichen.“

    Des­halb ist eine groß­zü­gi­ge Schät­zung erlaubt, um Liqui­di­täts­eng­päs­se und spä­te­re Nach­zah­lun­gen zu vermeiden.

    3. Anfechtung nur bei offensichtlicher Überhöhung

    Ein Beschluss über Haus­geld oder Vor­schüs­se kann nur dann erfolg­reich ange­foch­ten wer­den, wenn evi­dent ist, dass die Wer­te weit über­höht oder viel zu nied­rig sind.

    „Anfecht­bar ist der Beschluss allen­falls dann, wenn im Zeit­punkt der Beschluss­fas­sung evi­dent ist, dass er zu weit über­höh­ten oder wesent­lich zu nied­ri­gen Vor­schüs­sen führt.“

    Klei­ne­re Schätz­feh­ler oder vor­sich­ti­ge Kal­ku­la­tio­nen sind hin­ge­gen hinzunehmen.

    4. Einzelpositionen im Detail

    Der BGH nahm auch zu den kri­ti­sier­ten Punk­ten des Klä­gers Stellung:

    • Fahr­rad­ga­ra­ge: Eigen­tü­mer durf­ten die Kos­ten anset­zen, weil geschlos­se­ne Ver­trä­ge grund­sätz­lich als wirk­sam zu behan­deln sind. Ob ein Ver­trag spä­ter unwirk­sam ist, spielt für die Pro­gno­se kei­ne Rolle.

    • Ver­wal­ter­ver­gü­tung: Die Annah­me einer Zusatz­ver­gü­tung war ange­sichts eines Wech­sels der Ver­wal­tung und vor­he­ri­ger Orga­ni­sa­ti­ons­pro­ble­me vertretbar.

    • Rechts­be­ra­tungs­kos­ten: Auch wenn frü­he­re Beschlüs­se zu Anwalts­auf­trä­gen auf­ge­ho­ben wur­den, durf­ten Eigen­tü­mer mit Kos­ten für Rechts­strei­tig­kei­ten rechnen.

    • Erhal­tungs­rück­la­ge: Die Bil­dung oder Erhö­hung einer Rück­la­ge ist auch ohne kon­kre­ten Repa­ra­tur­be­darf zuläs­sig. Eigen­tü­mer haben hier­bei ein eige­nes Ermes­sen, um zukünf­ti­ge Instand­set­zun­gen zu sichern.

    Bedeutung für die Zukunft 

    Das Urteil hat weit­rei­chen­de Kon­se­quen­zen für die Pra­xis der Woh­nungs­ei­gen­tü­mer­ge­mein­schaf­ten, Ver­wal­ter und Gerich­te. BGH gibt den Eigen­tü­mer viel Frei­heit bei der Kal­ku­la­ti­on von Haus­geld­vor­schüs­sen, aber nicht ohne Regeln.

    1. Stärkung der Selbstverwaltung

    Der BGH stärkt das Prin­zip der Selbst­ver­wal­tung der Eigen­tü­mer­ge­mein­schaft. Ent­schei­dun­gen über den Wirt­schafts­plan sind Teil die­ser gemein­schaft­li­chen Ver­ant­wor­tung und sol­len nicht durch Gerich­te im Detail über­prüft werden.

    Das Urteil ent­las­tet die Jus­tiz und redu­ziert die Zahl der Anfech­tungs­kla­gen, die häu­fig aus blo­ßer Unzu­frie­den­heit oder Miss­trau­en resultieren.

    2. Mehr Handlungsspielraum für Verwalter

    Haus­ver­wal­tun­gen pro­fi­tie­ren unmit­tel­bar von der Ent­schei­dung. Sie dür­fen künf­tig vor­sich­ti­ger kal­ku­lie­ren und Kos­ten groß­zü­gi­ger anset­zen – etwa bei unkla­ren Ener­gie­prei­sen oder anste­hen­den Instandhaltungen.

    Wich­tig ist, dass die Kal­ku­la­ti­on trans­pa­rent und nach­voll­zieh­bar bleibt. Über­zo­ge­ne oder will­kür­li­che Ansät­ze blei­ben unzulässig.

    3. Rechtssicherheit bei der Rücklagenbildung

    Der BGH betont, dass die Bil­dung einer Erhal­tungs­rück­la­ge nicht von einem kon­kre­ten Sanie­rungs­be­darf abhängt. Gemein­schaf­ten sol­len lang­fris­tig pla­nen und aus­rei­chen­de Rück­la­gen bilden.

    Dies stärkt die finan­zi­el­le Sta­bi­li­tät vie­ler Eigen­tü­mer­ge­mein­schaf­ten – ins­be­son­de­re ange­sichts stei­gen­der Bau- und Reparaturkosten.

    4. Begrenzung der Anfechtbarkeit

    Künf­tig kön­nen Eigen­tü­mer Beschlüs­se über Haus­geld und Wirt­schafts­plan nur dann erfolg­reich anfech­ten, wenn sie nach­wei­sen, dass die Kal­ku­la­ti­on offen­sicht­lich feh­ler­haft oder unrea­lis­tisch ist.

    Das schafft Ruhe in Eigen­tü­mer­ver­samm­lun­gen und redu­ziert die Gefahr tak­ti­scher Klagen.

    5. Bedeutung für Gerichte und Rechtspraxis

    Das Urteil prä­zi­siert die Aus­le­gung von § 28 WEG und führt frü­he­re Ent­schei­dun­gen des BGH kon­se­quent fort (u.a. V ZR 175/10 und V ZR 26/14).

    Es gilt nun als Leitentscheidung:

    • Der Wirt­schafts­plan ist eine Pro­gno­se, kei­ne exak­te Berechnung.

    • Eigen­tü­mer haben ein wei­tes Ermessen.

    • Nur evi­den­te Fehl­ein­schät­zun­gen machen Beschlüs­se anfechtbar.

    Fazit

    Mit dem Urteil stärkt der Bun­des­ge­richts­hof die Posi­ti­on der Wohnungseigentümergemeinschaften.

    Die Rich­ter stel­len klar: Vor­sich­ti­ge, groß­zü­gi­ge Kal­ku­la­tio­nen sind erlaubt und sogar erwünscht. Bei Haus­geld­vor­schüs­sen dür­fen die Eigen­tü­mer nach ihren Vor­stel­lun­gen han­deln, nur bei offen­sicht­li­chen Über­hö­hun­gen oder gro­ben Schätz­feh­lern greift der BGH ein.

    Das Urteil bringt damit mehr Sta­bi­li­tät und Ver­trau­en in die gemein­schaft­li­che Selbst­ver­wal­tung – und redu­ziert unnö­ti­ge Kon­flik­te in Eigentümerversammlungen.

    Für Eigen­tü­mer, Ver­wal­ter und Juris­ten gilt:
    Ein gut begrün­de­ter, trans­pa­ren­ter Wirt­schafts­plan bleibt die bes­te Grund­la­ge für ein rei­bungs­lo­ses Mit­ein­an­der im WEG.

    (BGH-Urteil v. 26. 9. 2025, Az. V ZR 108/24)